» Interview mit Jan Steinhauer –
Werratalschule Heringen «
Vorname, Name: Jan Steinhauer
Unterrichtsfächer: Mathematik, Physik und Informatik
Schule: Werratalschule Heringen
Lieber Herr Steinhauer,
wir begrüßen Sie zu unserem Interview und freuen uns, mehr von Ihrem Forschungsflug an den Rand des Weltalls zu erfahren:
An welcher Schule sind Sie tätig und welche Fächer unterrichten Sie?
Ich unterrichte seit 2020 an der Werratalschule Heringen die Fächer Mathematik, Physik und Informatik. Zuvor habe ich dort mein Referendariat absolviert.
Was hat Sie veranlasst, gemeinsam mit Ihren Schüler*innen einen Forschungsflug zu starten?
Auf die Idee kam mein Kollege Markus Linß. Er hat vor Jahren von einem ehemaligen Kollegen von diesem Projekt erfahren und fand es sofort spannend. Wir mussten das Vorhaben allerdings immer wieder, unter anderem aufgrund der Corona-Pandemie, verschieben. Glücklicherweise hat sich nach langem Warten die Projektwoche zum Ende des Schuljahres hervorragend dafür angeboten. Wir beide waren von Anfang an von dem Stratosphärenflug begeistert und ich denke, dass dieser Funke schnell auf die Schüler*innen übergesprungen ist.
Jedes Kind träumt vom Weltall und wenn man dann die Gelegenheit hat etwas dorthin zu schicken und zu filmen, dann kann dieser Gedanke nur begeistern. Unsere selbstgebaute Sonde fliegt in Richtung Weltall! Da gibt’s keine Steigerung mehr.
Wie haben Sie Ihre eigene Vorbereitung vor Projektbeginn gestaltet?
Zunächst einmal mussten mein Teamkollege, Markus Linß, und ich uns die nötigen Informationen besorgen. Hierfür war Ihre Homepage ideal. Gleichzeitig haben wir beide am Lehrkräfte-Workshop teilgenommen. Anschließend haben wir die Unterrichtsmaterialien, das Handbuch und den Großteil des Equipments über Ihren Onlineshop bestellt. Glücklicherweise haben wir finanzielle Unterstützung durch unseren Schulverein, den Kooperationspartner der Werratalschule, K+S, und die Frank Hirschvogel-Stiftung erhalten. Ohne diese Unterstützung wäre das Projekt wahrscheinlich nicht realisierbar gewesen. Darüber hinaus haben Markus Linß und ich uns noch um die Luftfahrt-Halterhaftpflichtversicherung und die Aufstiegserlaubnis bei der Luftfahrtbehörde gekümmert. Während der Projektwoche haben wir dann den Projektteilnehmer*innen die Tutorials und Beschreibungen auf der Lernplattform unserer Schule zur Verfügung gestellt, sodass diese sich vor Beginn des Projekts intensiv damit auseinandersetzen konnten.
Wie waren die ersten Reaktionen der Schüler*innen, Kolleg*innen und die Reaktion der Schulleitung, als Sie das Projekt vorgestellt haben?
Damit sich die Schüler*innen unter dem Projekttitel „Stratosphärenflug“ etwas vorstellen konnten, haben wir das Projekt vor der Projektwoche in einigen Klassen vorgestellt. Hierfür waren wir hauptsächlich in den höheren Klassen (ab Klasse 9). Anschließend konnten sich die Schüler*innen in ihr Lieblingsprojekt einwählen. Die große Anzahl der Anmeldungen für unser Projekt hat uns riesig gefreut. Die Schüler*innen waren vom ersten Moment an interessiert und motiviert. Auch die Schulleitung war begeistert und stand zu jedem Zeitpunkt hinter uns und unseren Vorhaben.
Hatten Sie vor Beginn Zweifel an der Durchführung der Mission?
Ich würde eher sagen Respekt. Wir und die Schüler*innen wussten, dass wir an vielen Stellen nur eine Chance hatten. Wir waren aber durch Ihre Material, Handbücher, Tutorials und Checklisten bestens auf den Start vorbereitet. Sicherlich waren wir auch nervös, aber letztendlich lief alles sogar noch viel besser ab, als wir es uns erhofft hatten.
Beschreiben Sie, wie Sie mit Ihren Schüler*innen an dem Projekt gearbeitet und welche Ziele Sie mit dem Projekt verfolgt haben.
Die Projektwoche unserer Schule stand unter dem Motto „Gemeinschaft stärken“. Daher haben wir die Teilnehmer*innen in verschiedene Teams eingeteilt. Ein Team beschäftigte sich mit dem Check des Equipments, ein anderes Team mit dem Bau der Sonde. Währenddessen war ein weiteres Team bei unserem Kooperationspartner K+S und bereitete die Experimente vor, die mit in die Stratosphäre fliegen sollten. Dann gab es noch ein Dokumentationsteam, welches sich mit der Aufnahme von Bildern, Videos und deren Schnitt befasste. Nach der Bergung standen dann die Auswertung und die Vorbereitung auf den Tag der offenen Tür an. Die Schüler*innen arbeiteten größtenteils eigenständig und übernahmen viel Verantwortung, sodass wir als Lehrkräfte eher im Hintergrund agiert haben.
Insgesamt wollten wir die Schüler*innen mit dem Stratosphärenflug mehr für Naturwissenschaften begeistern. Wobei nicht der Fokus auf den fachlichen Kompetenzen lag, sondern nach der langen Zeit des Distanzlernens wieder auf der Zusammenarbeit und dem Gefühl, gemeinsam etwas Großartiges zu schaffen, auf das die gesamte Schulgemeinde stolz sein kann.
Nehmen Sie uns mit auf Ihren Flugtag: Wie ist dieser abgelaufen? Gab es Probleme bei Start, Flug, Bergung der Forschungssonde?
Am Flugtag hatten wir perfekte Wetterbedingungen. Es war keine Wolke am Himmel zu sehen und kein Wind zu spüren. Der vorausberechnete Zielort lag nur circa 30 Minuten vom Startort entfernt. Zum Start selbst versammelte sich dann die gesamte Schulgemeinde rund um den Startort. Die Schüler*innen arbeiteten Hand in Hand, sodass der Start ohne Komplikationen ablaufen konnte. Wir konnten den Wetterballon noch eine lange Zeit von unten beobachten, da er kaum durch den Wind abgetrieben worden ist. Die Bergung der Forschungssonde erwies sich allerdings als schwierig. Sie landete nach ca. drei Stunden Flugzeit in einem 23 m hohen Baum. Alle Versuche, die Sonde noch am selben Tag vom Baum zu bekommen, scheiterten. Wir waren zwar noch bis 21 Uhr im Waldstück vor Ort und versuchten mit Drohnen und einem Seil, die Sonde zu umwickeln und herunterzuziehen, jedoch ohne Erfolg. Ich habe dann telefonisch einen Profi erreicht, welcher uns die Forschungssonde am folgenden Vormittag mit Kletterausrüstung sicher vom Baum holen konnte (an dieser Stelle ein großes Dank an den Forst-Service Herbart!). Die Freude war enorm, als wir sahen, dass die Kameras durchgängig aufgezeichnet hatten.
Welche Experimente haben Sie in der Stratosphäre durchgeführt und welche Ergebnisse sind dabei herausgekommen? Wie werden die Ergebnisse aufbereitet?
In der Forschungssonde hatten wir den Datenlogger STRATOmini verbaut, welcher unter anderem Geschwindigkeit, Höhe und Temperatur aufgezeichnet hat. Weiterhin hatten wir von unserem Kooperationspartner K+S zwei Proben Bittersalz an Bord, die unter dem Einfluss der Stratosphäre anschließend im Analytik- und Forschungszentrum von einem Team untersucht worden sind. Dabei stellte sich heraus, dass wahrscheinlich unter dem atmosphärischen Druck das Epsomit (MgSO_4∙7H_2 O) durch den Verlust eines Wassers (H_2 O) in Hexahydrit (MgSO_4∙6H_2 O), umgewandelt worden ist.
Neben den atemberaubenden Aufnahmen der Kameras konnten wir eine Flughöhe von über 40 km verzeichnen! Alle Ergebnisse wurden anschließend für den Tag der offenen Tür so aufbereitet, dass die Besucher*innen den Ablauf nochmals „miterleben“ konnten. Weiterhin gibt es auf unserer Homepage und auf Osthessen-News einen Artikel zum Flug sowie ein Video auf dem YouTube-Kanal der Schule, welches von einem Schüler aus dem Dokumentationsteam geschnitten worden ist. Weitere Bilder sind auf unserem Instagram-Kanal zu finden.
Berichten Sie uns von den erzeugten Videomaterialen und dem Feedback der Schüler*innen sowie den Kolleg*innen?
Ich kann mich noch genau erinnern, als ich die ersten Aufnahmen der Kamera sah. Wir saßen in unserem Projektraum und ich bekam sofort Gänsehaut. Beide Kameras liefen durchgängig und zeichneten bei besten Sichtverhältnissen wunderschöne Bilder auf. Vor allem der Start, der Moment kurz vor dem Platzen des Wetterballons, aber auch die Landung gefallen mir besonders gut. Die ersten Bilder gingen wie ein Lauffeuer durch die Schule. Uns beiden Lehrkräften schrieben an dem Tag so viele Freunde und Bekannte, die unsere Bilder in den sozialen Medien gesehen hatten und beglückwünschten uns zu dem Projekt. Und auch in der Schule wurde immer wieder nach dem aktuellen Stand gefragt. Die Schüler*innen erzählten stolz davon, aktiv am Projekt beteiligt gewesen zu sein.
Was nehmen Ihre Schüler*innen sowie Sie selbst aus dem Projekt mit und würden Sie das Projekt mit anderen experimentellen Schwerpunkten erneut durchführen?
Ich denke, dass es für alle ein unvergessliches Erlebnis mit wunderschönen Momenten war. Dabei sind es nicht vorrangig die erzeugten Aufnahmen, sondern viel mehr der entstandene Teamgeist, das Interesse und der unbedingte Wille ein solches Projekt erfolgreich durchzuführen, was alle mitnehmen werden.
Wir werden das Projekt mit Sicherheit noch einmal anbieten. Es gibt noch so viele Möglichkeiten, die zusammen erforscht werden können. Wenn dann etwas mehr Zeit ist, könnte ich mir zum Beispiel auch einen selbst programmierten Datenlogger gut vorstellen.
Welche Empfehlungen würden Sie anderen Lehrkräften mit auf den Weg geben die vor der Entscheidung stehen, ggf. eine eigene Mission in die Stratosphäre zu starten?
Ich würde zunächst jeden dazu ermutigen, es zu probieren. Es sind einzigartige Aufnahmen entstanden, die niemals in Vergessenheit geraten werden. Empfehlen kann ich an dieser Stelle das Handbuch von Stratoflights sowie die Tutorials und Checklisten. Wenn sich daran gehalten wird, kann tatsächlich nicht mehr viel schief gehen (außer vielleicht durch externe Einflüsse). Außerdem empfehle ich bei einer größeren Gruppe, kleine Teams zu bilden und den Schüler*innen darin so viel Verantwortung wie nur möglich zu geben. Das Vertrauen dankten uns die Schüler*innen mit großer Disziplin, Motivation und Tatendrang!
Zum Abschluss möchten wir uns nochmals für die tolle und konstruktive Zusammenarbeit während des gesamten Projekts bedanken! An alle, die das hier lesen: Bleibt neugierig!
Zum Abschluss des Interviews noch ein paar Schülerkommentare:
„Mir hat das Projekt unglaublich viel Spaß gemacht. Das Teamwork mit der ganzen Gruppe hat super funktioniert, sodass wir alle Aufgaben ohne Probleme bewältigen konnten. Das Projekt hat auch einwandfrei funktioniert und wir haben wunderschöne Aufnahmen aus der Stratosphäre gewonnen.“ (Eliah Weißenborn)
„Es garantiert auf jeden Fall Staunen, einen riesigen Spaß (für alle Schüler*innen und Lehrkräfte) und ein tolles Abenteuer. Es ist eine „hammer“ Erfahrung, eine selbstgebaute Sonde in die Stratosphäre zu schicken, aus eigener Hand und nicht von professionellen Leuten. Daten und atemberaubende Videos/Fotos aus der Stratosphäre zu erlangen, ist für uns Schüler*innen ein tolles und unglaubliches Erlebnis.“ (Tabea Heimann)
„Schon von Anfang an war klar, dass das Projekt unvergesslich werden würde. Aus diesem Grund haben sich meine Freunde und ich eingetragen und wir wollten uns mit einbringen, um dieses Erlebnis nicht zu verpassen. Mit großer Euphorie habe ich zusammen mit meiner Gruppe am Bau der Sonde gearbeitet. Voller Konzentration und Vorfreude bereiteten wir dann den Start vor, bei dem man die Aufregung aber nicht verdrängen konnte. Mit jedem Meter, den die Sonde stieg, erhöhte sich auch die Spannung, bis wir die Sonde wieder in unseren Händen halten durften, die beeindruckenden Videos sehen konnten und wussten, dass alles reibungslos geklappt hatte.“ (Thalia Weitz)
Vielen Dank für das Interview und die tollen Einblicke in Ihr Projekt.
Team Stratoflights
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